Tango durch Deutschland

Produktionsleitung: Ulli Kratzsch
Eddie Constantine erhält vom Tribunal die Chance besseres Leben zu führen, woran nicht nur er sondern der ganze Film scheitert.
Musik: Astor Piazzolla / Kamera: Lutz Mommartz, Martin Schäfer, Dieter Fietzke, Jürgen F. Hagemann Ton: Herbert Baumann, Jürgen Zech / Maske: Marie-Luise Engel / Mitarbeit: Georg Bühren, Wolfgang Braden, Walter Foelske, Jürgen Kuhfuß / Schnitt: Ina Rasche
Schauspieler: Eddie Constantine, Maya Faber-Jansen, Detlef F. Neufert, Manfred Bölk, Anna Plakinger, Gerta Reinhardt, Georg Bradtke, Jango Edwards and his friends road-show,Hartmut Redottée, Bastian Feldmann, Klaus Hang u.v.a

  • Lutz Mommartz /

  • 1980 /

  • 89 min - 16mm - Farbe /

  • Blow up 35 mm


  • Lutz Mommartzspacer

  • Zur Entstehung von "Tango durch Deutschland"
    Seit Jahren war ich auf der Suche nach einem Darsteller, einem Mann, der unbeirrt der Ferne zustrebt. Seine Bewegungen sind sehr bestimmt aber gelassen. Er läuft nicht auf ein bestimmtes Ziel zu, sondern zelebriert gewissermaßen rituell, daß es um etwas geht, was alle angeht. Wo immer er auftaucht, stört er den normalen Ablauf der Dinge, bringt den Verkehr zum Erliegen und macht sich Platz. Er setzt Zeichen, provoziert wie ein Aktionskünstler und nimmt sich die Freiheit, gegen den Strom zu schwimmen. Er produziert Staunen und wirkt nicht aggressiv. Letztenendes gewährt man ihm Übertretungen aller Art. Er setzt sich über Konventionen hinweg und verkörpert jene Spannung, in der der vorauseilende Geist mit der Wirklichkeit steht.
    Wenn er schließlich, von der Menge aufgehalten, in ihr auf und untergeht (Garance!) und unseren Blicken entschwindet, wissen wir, daß er daraus irgendwo wieder auftaucht. Mit ihm und einem kleinen Team wollte ich durch die Lande ziehen, jeweils vor Ort eine Aktion ausdenken und filmen. Vielleicht gibt es einen solchen Darsteller gar nicht.
    Im April 1979 saß ich zufällig neben Eddie Constantine. Er fragte mich, was ich so mache. Aus lauter Verlegenheit erzählte ich ihm von dem Projekt. Er fing sofort Feuer: "Das mache ich dir umsonst!"
    Ich hielt es für völlig ausgeschlossen, ja abwegig gerade mit ihm. Doch er ließ nicht locker und lockte mit einem Bild: Einen Typ a la Buster Keaton wolle er verkörpern. Da schob ich mein Projekt beiseite um zu sehen, was anderes vielleicht mit ihm zu machen sei. Bei den Probeaufnahmen kam er meiner Art des direkten Drehs entgegen. Also dachte ich, wir riskieren es. Es kam dann alles ganz anders. Als die Filmförderung mitmachte, wollte er nicht mehr ohne Drehbuch und ein Honorar war fällig. Als Stoff für’s Drehbuch nahmen wir sein Leben. Darin eröffnet ihm ein Tribunal die Chance, es nochmal zu versuchen. Seine Liebesgeschichte mit Maya Faber-Jansen wurde hineingearbeitet. Ein neuer Kameramann mußte gefunden werden, weil es Dieter Fietzke mulmig wurde.
    In der Bedrängnis übernahm Martin Schäfer die Rolle. Pech für mich, weil der ganz andere Bilder dachte als ich. Und so nahm die Katastrophe ihren Lauf.
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  • Gertrud Koch, Frankfurter Rundschau, Mai 81spacer

  • Schwebend wie der Rollstuhl am Beginn wird aus dem Tango das heimliche Motiv eines Liebesliedes, wird die Menschwerdung der Mumie durch die Liebe besungen in poetischen Parklandschaften und mit Nietzsche.
    Bevor freilich das unglückliche Bewußtsein sich ganz in die Idylle der "kleinen Dinge des Lebens" wie Fensterrahmen pinseln und Rollschuhlaufen verliert, schiebt Mommartz ein düsteres enigmatisches Ende davor: Im leeren Fabrikgebäude sucht Eddie noch immer oder schon wieder nach einer Maja, und wie in einem fellinischen Traum verschwindet er suchend in der Schwärze eines Ganges.
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  • Sebastian Feldmann, RP, 19.3.81spacer

  • Nächtliche Großstadtstraße. Zwei bedrohlich lichtstrahlende Spritzautos fegen den Schmutz der Vergangenheit in die Gosse des Vergessens. Im imaginären Museum des Films aber huschen scharfe Spotlight-Scheinwerferkegel über die allmählich fadenscheinig werdenden Leinwände der alten, handgemalten Kinofassaden-Reklamen. Auf einem rotierenden Drehpodest erfassen sie die Mumienstatue eines gewesenen, verwesenden Lichtspielidols, dessen Name Eddie Constantine - im ganzen folgenden Film nicht ein einziges Mal genannt wird. Braun die Lederhaut der Gesichtsmaske unter dem Hut, emporgestreckt der Arm aus dem Trenchcoat in boxbereiter Abwehrhaltung.
    Der Eingang von Lutz Mommartz' "Tango durch Deutschland" benutzt uralte Auferstehungs-Mythen wie den von Orpheus und Euridike, von Lazarus, von Kyffhäuser-König Rotbart lobesam, oder auch neueren Versionen wie Sartres "Das Spiel ist aus".
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  • Wolfgang Würker, FAZ, 19.6.81spacer

  • In "Tango durch Deutschland" irrt Constantine jetzt im Düsseldorf des Jahres 1980 durch die Straßen, wechselt auf einer vielbefahrenen Straße unschlüssig die Richtung, begegnet unentwegt sich selbst, findet sich unter Rentnern in einem Park, als Voyeur in einem einschlägigen Etablissement oder gar in Edith Piaf, seiner verehrten Lehrerin, die er meisterhaft zu imitieren versteht.
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