Der Garten Eden

Bundesfilmpreis: Filmband in Silber
Kamera: Dieter Fietzke und Lutz Mommartz / Ton: Herbert Baumann / Wichtige Hilfe: Ingrid Lutz
Mit: Henning Brandis, Franz van der Grinten, Fritz Gorrissen, Pastor Mühlhoff, Ernst Schönzeler, Ata Jansen, Frau Heukulum, Brigitte Groenewald, Familie van de Sandt, Familie Schmidt, Hennes Stelzer, Bauer Timpe, Hugo Bos und vielen Schänzern.
Ein utopischer Film über Landschaft und Leute am Niederrhein

  • Lutz Mommartz /

  • 1977 /

  • 156 min - 16mm - Farbe

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  • Sebastian Feldmann, RP, 20.12.1977spacer

  • Wo ist der Garten Eden, das Paradies? Am Niederrhein, wie es alte Lokal-Sagen wollen; in uns selbst, wenn wir es auf Erden verwirklichen, also überall, oder, wie Ernst Bloch sagt, "da wo noch niemand war", in der Heimat?
    Über den Garten Eden in der Lücke zwischen utopischem und vergessenem Entwurf hat der Düsseldorfer Lutz Mommartz einen dreistündigen Film gemacht. Seinen gedanklichen Weg sucht er zwischen den archimedischen Ideen-Punkten "Heimat", "Paradies" und "Utopie". Gelungen ist Mommartz ein außergewöhnlicher und gedankenvoller Film. Schon die ersten, traumhaft schönen Bilder zeigen den hohen Anspruch des Regisseurs. In phantastischen Nebel-Luft-Wasser-Tableaux wird der erste Schöpfungstag gemalt. Die Trennung vom festen Land, Naß und Atmosphäre leuchtet in Farben wie von William Turner - bis eine atemberaubende Gummilinsen-Rückbewegung von sehr weit weg uns aus einem güldenen Wolkenloch zurückzieht, aus der Vision hin auf unsere Füße. Sehr unvermittelt bricht rheinischer Karneval aus, Masken, Fratzen, dazwischen durchs Getümmel irrend der Filmemacher auf Suche.
    Freilich meint Mommartz nicht, jenes Paradies an seinem mythologisch-niederrheinischen Ort zu finden. Er deutet in seinem Film an, daß der Mensch sich seinen Erden/Eden-Garten selbst bestellen muß; er buddelt mit seiner filmischen Arbeit wohl verbissen in der niederrheinischen Scholle und Gesellschaft; der Topos dieser Landschaft aber ist ihm nur Aufhänger für Utopie. Utopie, im Griechischen recht logisch Ortslosigkeit, ein perfektes Nirgendwo-Land, wird hier ganz kraß dem konkreten Ort mit seiner Schönheit, seinem Brauchtum, seinen Traditionen und auch seiner Verkrustung gegenübergestellt.
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  • P.W. Jansen, epd, Juli 1978spacer

  • Und wenn Mommartz seine stereotype Frage stellt: "Wissen Sie, wo der Garten Eden ist?" - dann ist das nicht Verlade mit versteckter Kamera, sondern die Aufforderung, sich selbst zu fragen, auch: warum man sich bisher noch nicht danach gefragt hat. Denn daß er hier ist, noch hier ist, für eine Weile, davon zeigt sich die Kamera überzeugt, wenn sie durch das Dorf Schenkenschanz fährt oder ins Festzelt geht zum Schützenverein oder immer wieder die Erde erforscht und den Himmel, die Gärten und das weite Land, den Nebel und den Rhein und die Stille. Weil der Augenblick, durch den Film seiner selbst bewußt geworden, nach neuen Augenblicken verlangt, Hunger auf Dauer macht, Hunger auf Zeit.
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  • Gertrud Koch, Frankf. Rundschau, 15.05.1978spacer

  • "Der Garten Eden", eine zweieinhalbstündige Entdeckungsreise am Niederrhein, dokumentiert am eindruckvollsten, wohin ein solcher experimenteller Zugang zum Dokumentarfilm führen kann. Abgesehen von mancher matten Gag-Dramaturgie, die nur mühsam noch die alten Zeiten des Happenigs hochhalten können, zieht der Film seine Stärke gerade daraus, daß sich der Filmemacher als das eigentliche Subjekt des Films nicht versteckt hinter der Pseudo-Objektivität der Beobachtung, sondern zeigt, daß er es ist, der hier das Portät einer Landschaft und ihrer Bewohner herstellt. Ein Film voller Kurzweil aus der Perspektive der Gaukler, die durchs Land ziehen und sich in Szene setzen und sich von den Dorfbewohnern gutmütig bestaunen lassen.
    Lutz Mommartz zählt sicher nicht zu denjenigen Vertretern des Experimentalfilms, die große ästhetische Innovationen hervorgebracht haben, aber das veranschaulicht die Retrospektive sehr deutlich - was er zeigt und was ermutigt, ist der frische Zugriff, der Mut, etwas Unkonventionelles zu riskieren, das das Risiko des Scheiterns nicht scheut. Filme als Skizzenblock ? mal so, mal so.
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