H.P. Kochenrath, Film, Jan. 69
Mommartz‘ Filme basieren jeweils auf einer einzigen Idee; die Wirkung, so meint Mommartz, sei dann nachhaltiger. Diese Ideen sind oft brillant, scharf und provokativ, doch ebenso oft verlieren sie in der Realisation manches von ihrer Radikalität. Obwohl Mommartz ein sehr bewußter Filmemacher ist, vermitteln seine Filme vordergründig das Bild eines naiven Autors. Mommartz gelingt es, beide Züge in seinen Filmen zu vereinen. Er weiß um seinen enormen naiven Spieltrieb, bringt ihn unter rationale Kontrolle und setzt ihn so bewußt ein. Denn er möchte mit seinen Filmen Wirkungen erzielen. Film soll ein Auslöser sein, der den Zuschauer anstößt. Dabei könnte der Film zur Zeit nur allgemeine Klimavoraussetzungen schaffen, zu Klimaverbesserungen führen, nicht aber zu direkten politischen Taten. Die Verbindung von Ästhetik und Politik erscheint ihm rational deplaziert; das Engagement würde sich in der Kunst verlieren.
Mommartz glaubt an den Sozialismus, aber (Schreiben Sie das!): "Die Chemie ist die einzige Chance für den Sozialismus!" Denn 5% bewußten Menschen würden immer 95 % nichtbewußte gegenüberstehen. Für Mommartz gibt es keine Staatsform, die dem entgegenwirken könnte. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Gruppen sei die einzige Tragik, die es heute noch gebe. Um das Verhältnis erträglicher zu machen, sieht Mommartz nur eine Lösung: die Droge.
Klaus Ulrich Reinke, DN, 27.7.68
Seinem Erfolg in Knokke folgten auf höchster Ebene und in den esoterischsten Fachzeitschriften tiefschürfende und hochtrabende Interpretationen seiner Filme. Worauf Mommartz mit der lakonischen Feststellung reagierte, daß er eigentlich gar kein Filmer hatte werden wollen. Eigentlich interessierte den 1934 in Erkelenz geborenen Oberinspektor beim Düsseldorfer Stadtbauamt die Malerei. Bis er feststellte, daß er damit nicht ausdrücken konnte, was er sagen wollte. Da ließ er es. Auch dem Film traut Mommartz nicht sehr weit über den Weg. Deshalb versucht er, seine Möglichkeiten zu erweitern.
Hans Schütz, NRZ, 20.3.70
Filmen, so sagt Lutz Mommartz, sei einer der vielen Vorwände, um Kommunikation herzustellen und gesellschaftliche Arbeit zu leisten. Er hat diesen Vorwand relativ spät und wohl nur durch Zufall gefunden, ihn dann aber bewußt und konsequent benutzt.
Rheinische Post, 8.8.70
Er betrachtet das Medium umso mißtrauischer, je mehr er für seinen Umgang damit gerühmt wird.
Ulrich Gregor, Geschichte des Films ab 1960, Bertelsmann, 1978
Lutz Mommartz (geb. 1934) drehte 1967 eine Reihe von Kurzfilmen scheinbar spielerischer Natur, die jedoch durchaus theoretischen Hintergrund besaßen und die Parameter eines neuen Kinos festzulegen suchten. Sein wichtigster Film war 'Eisenbahn', in welchem ein und dieselbe Filmschleife - eine Einstellung aus dem Fenster eines fahrenden Eisenbahnzuges auf die vorüberziehende Landschaft- 17 mal wiederholt wurde. In "Selbstschüsse" warf Mommartz die Kamera über sich in die Luft.